Ontario II– Auf die Wildnis und neue Freunde

Wir sind noch immer auf der Bruce Peninsula und verlassen Sauble Beach mit seinen überfüllten Stränden à la Rimini in der Hauptsaison und machen einen Abstecher in den Bruce Peninsula National Park. Wir wollen uns „Grotto“ anschauen, dessen Namen einen tollen Badeplatz impliziert. Leider ist der Parkplatz voll und erst in zwei Stunden wieder frei. Hier herrscht nämlich Schichtbetrieb. Es gibt drei Schichten zu denen man die Grotte besichtigen darf. Uns bleiben also noch zwei Stunden, bis wir hin dürfen. Also machen wir uns auf den Weg zu den „Singing Sands“. Was genau das ist, wissen wir allerdings nicht. Wir biegen auf eine lange Gerade ein, als uns in der Hitze plötzlich eine Kältewelle trifft! Vor uns sehen wir nur Nebel! Zuerst rätseln wir wie so ein dicker Nebel bei praller Sommerhitze entstehen kann, werden dann aber von einem Park Ranger aufgeklärt, dass es sich um eine Kaltfront handelt die eigentlich nur im Frühling oder Herbst auftritt. Und da das Wasser so aufgeheizt ist, bildet sich durch die Kaltfront dieser Nebel. Wir schauen uns das Spektakel genauer an und frösteln uns im Dunst einen ab. Als wir am Singing Sands Beach ankommen, können wir den Sandstrand nur erahnen. Alles ist so zugenebelt, dass man nur die Silhouetten der anderen Besucher erkennen kann. Über dem Wasser hängt ein Dunst, der alles in diffuses Licht taucht und eine atemberaubende Atmosphere entstehen lässt.  Thomas kommt aus dem Fotografieren gar nicht mehr raus und schießt ein paar absolut klasse Bilder. Nachdem die Kamera heiß gelaufen ist, verzieht sich auch langsam der Nebel und zurück bleibt ein pups langweiliger Sandstrand.

Also auf zur Grotto. Wir kommen um 18:00 Uhr zur letzten Schicht an und finden einen Steinstrand an der Georgian Bay des Lake Huron vor, mit türkis-blauem, glasklarem Wasser. Eine Grotte ist allerdings nicht zu sehen. Das Wasser hat hier unter anderem diese geile Farbe, weil es mit das sauberste Gewässer der Great Lakes ist. Voll ist es hier auch. Aber ein Sprung ins kalte, blaue Wasser ist bei der Hitze trotzdem der Hammer. Wir machen uns auf den Rückweg zum Bockerl und sind froh auf keine Mississauga Rattlesnake (Klapperschlange) zu treten. Ja, die gibt es hier wirklich!

Der nächste Morgen beginnt für uns um 05:45 Uhr um die Fähre nach Manitoulin Island, eine Insel im Lake Huron, zu nehmen. Auch wir müssen ab und an mal früh aufstehen. Wir haben uns für diese Route entschieden, weil wir uns so einige Kilometer um den großen See sparen und sie gleichzeitig die landschaftlich schönere Strecke sein soll. Auf Manitoulin angekommen, fahren wir die Bridal Veil Falls an. Diese versprechen ein Bad unterm Wasserfall. Allerdings ist es auch hier voll und wir haben keine Lust uns mit 30 anderen Leuten unter den Wasserfall zu quetschen. Zumindest ist die Landschaft der Hammer. Wir retten eine Schildkröte von der Straße, fahren an Kranichen vorbei und genießen die Landschaft, die ein bisschen an Kroatiens Adria erinnert. Über eine Brücke erreichen wir wieder das Festland. Auch hier bleibt die Landschaft der Hammer: weiße Felsen und viele Seen. Überall riecht es nach Pinien. Wir landen letztendlich in Espanola und erreichen somit mal wieder eine größere Stadt. Wir steuern gleich mal einen Autoteilehändler an und hoffen hier wegen unseren Ersatzteilen fündig zu werden. Und tatsächlich! Wir finden alles was wir brauchen, im Gegenzug zur Werkstatt in Belleville. Zwar für einen horrenden Preis, aber er kann sie bestellen! Da wir noch bis morgen warten müssen, gehen wir auf die Suche nach einem Schlafplatz. Ontario bleibt sich treu und wir werden nicht fündig. Auch auf einer entlegenen Schotterpiste finden wir nichts außer einer Mückenhölle und Verbotsschilder. Also campen wir an einem kleinen Parkplatz direkt an der Straße.

Verschreien hilft viel!

Wir holen unsere Ersatzteile und fahren mit einer Werkstattempfehlung Richtung Sault Saint Marie. An einem Picknickplatz machen wir eine Kaffeepause und als wir gerade wieder aus dem Parkplatz rausfahren, sage ich noch zu Thomas, warum wir eigentlich „nie“ andere Overlander treffen. Wir sind schon über zwei Monate unterwegs und haben noch niemanden gesehen, der so reist wie wir. In dem Moment heizt ein VW Bus mit Schweizer Kennzeichen vorbei und hupt. Ein paar Kilometer weiter bleibt er stehen und wartet auf uns. Endlich treffen wir mal jemand Gleichgesinntes. Ich mutiere hier noch zum Kurzzeit-Nostradamus. Kurzzeit-Nostradamus deshalb: zuerst wird es verschrien und ein paar Minuten später passiert es. Wie mit den Elchen auf dem Cabot Trail, als ich sagte: "tagsüber sehen wir eh keine Elche". Zwei Minuten später steht einer auf der Straße. Aber zurück zu Gianni. Er hat auch nach Halifax verschifft und reist mit seiner Katze. Die Katze hat er während seiner 18 monatigen Afrikareise gerettet und sie mit der Hand aufgezogen, weshalb sie an das Leben im Bus gewöhnt ist.

Er begleitet uns nach Sault Saint Marie zur Werkstatt. Dort erfahren wir vom Besitzer, dass die Werkstatt momentan voll ausgelastet ist und er uns leider auch nicht reinquetschen kann (Zitat: I hate to say no - but no!). Er empfiehlt uns die Werkstatt eines Freundes und erlaubt uns auf seinem Firmengelände zu übernachten. Da in Ontario kostenlose Schlafplätze rar gesät sind nehmen wir dankend an. Als Gianni dann auch noch eine Biergarnitur aus seinem Auto zieht kommen uns fast die Tränen vor Glück und wir verbringen einen entspannten Abend zu dritt. Am nächsten Tag bringen wir das Bockerl in die andere Werkstatt und fahren mit Gianni in den Park, um die Zeit bis zur Abholung zu überbrücken. Dort genehmigen wir uns erst mal ein Bad im kühlen See. Anschließend fährt er uns durch die Stadt, zur Werkstatt und danach zum Reifenkauf und wartet mit uns den ganzen Tag, bis das Bockerl fertig wird. Ihn hat echt der Himmel geschickt. Um 17:00 Uhr haben wir brandneue Vorderreifen, einen eingestellte Spur, neue Bremsbacken und Bremsscheiben. Pures Glück! Auch wenn wir jetzt ein bisschen ärmer sind.

Gemeinsam machen wir uns auf weiter Richtung Westen und landen an der Pancake Bay. Klingt nicht nur gut. Ist es auch. Der Platz ist der Hammer! Direkt am Lake Superior, dem dritten und vor allem größten See der Great Lakes, zünden wir erst einmal ein Lagerfeuer an. Ein Stück weiter campt ein kanadisches Paar, das die Idylle direkt neben ihrem laut brummenden Generator genießt. Ich glaube, der Sinn von campen in der Natur hat für die beiden wohl eine andere Bedeutung. Gianni holzt für das Lagerfeuer gefühlt den halben Wald ab und zieht mit seinem Beil ein paar Stämme aus dem Busch. Aus dem Lagerfeuer wird ein Sonnwendfeuer, das sich sehen lassen kann. Zumindest werden so die Würschtel auf dem Stecken ordentlich durch.

Wir haben alle etwas länger geschlafen und beschließen noch einen Tag länger hier zu bleiben. Wir bauen unser Camp auf, natürlich mit Giannis Bierbank, gehen im Lake Superior "duschen", die Männer basteln jeweils an den Bussen rum und ich finde endlich mal die Zeit zu zeichnen. Natürlich gibt es abends wieder ein Lagerfeuer, bei dem wir endlich mal unseren Dutch Oven, ein gusseiserner Topf den man direkt in die Kohlen stellen kann, ausprobieren. Wir packen alles in den Dutch was die Kühlboxen hergeben und heraus kommt ein Eintopf der nicht zu verachten ist. An dieser Stelle: vielen lieben Dank Gisela und Bernhard für dieses super Geschenk.

Unsere „Reisegruppe“ wird immer größer

Jeder Urlaub hat jedoch auch mal Ende und wir reißen ein paar Kilometer runter. Wir gehen an einem Sandstrand baden und landen in Wawa. Hier bleiben wir auch vorerst stecken. Der Highway ist gesperrt, weil die Straße in sich zusammengebrochen ist (Sinkhole). Es soll wohl fünf Stunden dauern bis die Straße wieder offen ist. Es gibt zwar eine Umfahrung, aber die würde uns auch mindestens fünf Stunden kosten. Im Tim Hortons, des Kanadiers liebste Kaffeebude, vertreiben wir uns die Zeit. Und siehe da! Schon nach zwei Stunden geht es weiter. Und zwar immer weiter Richtung „Urwald“. Wir durchfahren unendliche Waldgebiete, wilde Täler und Berge durchzogen mit Seen und Tümpeln. Es gibt kaum noch Städte, wenn dann kleine Dörfer und dazwischen viel Wildnis. Von den Dörfern aus starten auch Wasserflugzeuge um die Menschen in der Abgeschiedenheit weiter im Norden zu versorgen. Unser nächstes Ziel ist Thunder Bay. Eine Großstadt im Nirgendwo. Im Umkreis von 500 km gibt es nichts außer Busch. Während Gianni in der Stadt seinen Kram erledigt, gehen wir auf ein indisches Festival. Fünf Minuten später, eine Popcorn- und zwei Burgerbuden später, sind wir durch. Es gibt zwar auch einen Stand mit indischem Essen und einen Yogakurs, aber das war es dann auch. Unabgesprochen treffen wir uns am Walmart-Parkplatz zum Einkaufen wieder. Gianni hat zwischenzeitlich noch ein anderes deutsches Paar aus Frankfurt, Susanne und Thomas inklusive Hund, aufgerissen, die mit ihrem eigenen Fahrzeug Nordamerika bereisen wollen. Wir treffen uns mit den beiden an ihrem Schlafplatz an einem See und verbringen nun zu fünft einen feucht-fröhlichen Abend.

Der nächste Morgen beginnt neben einem Kater auch damit, dass sich Gianni in Unterhosen aus seinem VW ausgesperrt hat. Katze drin. Schlüssel drin. Leider hat er die Katze nicht zum Apportieren abgerichtet. Das hätte das Ganze deutlich vereinfacht. Immerhin muss er sein Fenster nicht einschlagen. Einfach das Lüftungsbelch, das im Fenster klemmt, aufbiegen und schon kann er sich mit einer Zange seinen Rucksack, wo der Schlüssel drin ist, vom Beifahrersitz angeln. Wenigstens musste er in seinen Unterhosen bei der Arbeit nicht schwitzen. Am nächsten Tag bemerken wir, dass sich unsere Kühlbox verabschiedet hat. Nachdem wir alles Verderbliche bei Gianni untergebracht haben, hat Thomas dann den Fehler gefunden. Nicht die Box an sich ist futsch. Wir hatten einen Wackler. Komisch, da trotzdem Strom am Kühlschrank angekommen ist. Was wir beide hier mal wieder gelernt haben ist, nicht gleich einen Rappel zu bekommen, weil was kaputt ist. Meist ist es halb so schlimm und wenn doch, dann gibt es für alles eine Lösung. Manche Dinge ändern sich langsam in unseren Köpfen. Allerdings ist es noch zu früh, dies weiter auszuführen. Wenn wir dann länger unterwegs sind, gibt es hierzu auf jeden Fall mal ein Résumé.

Wir verlassen den wilden Nordwesten Ontarios durch dichtes Buschland und über die Südroute (Highway 11) Richtung Kenora. Es sind so viele Libellen unterwegs, dass wir den Schwärmen mit dem Bockerl nicht ausweichen können. Und so klatscht es die nächsten 50 km nur noch so Libellen gegen den Bus. Nicht nur die sind unterwegs. Als wir abends an einem See campen und draußen kochen, wimmelt es nur so von Mücken, die uns buchstäblich auszuzeln. Wenn wir unsere elektrische Fliegenpatsche in der Dunkelheit schwingen, blitzt und brutzelt es unentwegt. Unseren letzten Abend in Ontario verbringen wir dennoch als drei blutleere Rosinen am See. Aber nur die Harten kommen in den Garten und es gibt draußen noch ein bei paar Bierchen.

Was ist also unser Ontario-Fazit?

Jeder der uns kennt, weiß, dass wir keine Fans von großen Menschenmassen sind. Für uns war der "wilde" Teil Ontarios der absolute Hammer, weshalb wir an dieser Stelle auch auf die Liste der Highlights verzichten. Die ganze Landschaft Nordwest-Ontarios ist ein Highlight an sich. Auch wenn uns der besiedelte Teil eigentlich auf den Zeiger ging, ist Ontario eine vielfältige Provinz. Auf der einen Seite hat man die Metropole Toronto und die Niagara Fälle mit ihrem Angebot an Geschäften, Bars und Kasinos. Diverse große Städte um shoppen zu gehen, aber trotzdem noch das ein oder andere Naturschauspiel. Auf der anderen Seite ist Ontario von wildem Buschland durchzogen. Man findet hier einsame Buchten und Seen, die von Biberdämmen aufgestaut wurden. Hier kann man sich in die Büsche schlagen und wochenlang alleine durch die Wälder wandern. Jeder der Great Lakes hat etwas Eigenes und lohnt auf jeden Fall einen Besuch. Für uns eine Provinz der Gegensätze.

Zurück nach oben