Ontario I – Die „Great Lakes“ und Menschenmassen

Ontario. Ja, was erzählen wir über Ontario? Wir sind zwiegespalten. Zum einen ist Ontario geprägt durch die Great Lakes, ozeanartige Seen die wie das Meer anmuten, mit wunderbaren Küstenabschnitten und Sandstränden. Manchmal kommen wir uns vor wie am Mittelmeer. Die Pinien duften und das Gras ist trocken vor Hitze. Zum anderen ist Ontario voller Menschen. Zwischen Quebec City und noch ein Stück weiter westwärts von Toronto leben 30% aller Kanadier. Toronto ist eine Megacity mit circa 6 Mio. Einwohnern, die gefühlt alle bei schönem Wetter natürlich an den Seen sind.

Aber zurück zum Anfang. Auch nach Quebec reißt die Hitzewelle nicht ab. Nachdem wir die Provinzgrenze überquert haben, kommen wir nach einer kurzen Fahrt am Lake Ontario an und kühlen uns erst einmal mit einem Sprung ins Wasser ab. Der See ist der flächenmäßig Kleinste der insgesamt fünft Great Lakes. Wir fahren im Süden Ontarios nun immer weiter westwärts und kommen an diversen größeren Ortschaften vorbei. Wo im Osten größere Orte vielleicht ein paar Tausend Einwohner hatten, beginnen diese hier schon im fünfstelligen Bereich. Nach zwei Monaten in Ostkanada müssen wir uns daran noch gewöhnen. Unsere Route führt uns entlang der Thousand Islands und zum gleichnamigen National Park. Dieser Teilabschnitt des Lake Ontarios ist bekannt für seine vielen vorgelagerten kleinen Inselgruppen. Vom Ufer aus sehen wir tausende Inseln, manche bewaldet, manche bebaut. Teilweise sind die Inseln so klein, dass man sie in fünf Minuten umrundet hätte, dennoch steht auf manchen ein kleines Cottage drauf. Wir steuern den das Besucherzentrum des Nationalparks an, wo wir auch die Nacht verbringen. Den restlichen Tag nach unserer Ankunft lassen wir dabei noch schön gemütlich am und im Wasser des Parkgeländes ausklingen.

Nach einigen Kilometern und weiteren Städten nehmen wir die kostenlose Fähre nach Prince Edward County, ein "Landkreis" auf einer Halbinsel im Ontariosee. Annas Eltern haben hier ein Cottage, in dem wir ein paar Tage verbringen dürfen. Um ehrlich zu sein, ist es auch bitter nötig. Wir sind in zwei Monaten bereits fast 10.000 km gefahren und sind etwas genervt und geschlaucht. Auch das Bockerl zickt. Die Bremsen quietschen und das Knacken von den Vorderreifen wird immer schlimmer.

Bevor wir jedoch ins Cottage fahren, steuern wir noch den Sandbanks Provincial Park an, der uns von diversen Kanadiern empfohlen wurde. Allerdings sind alle Camping­plätze im Park ausgebucht. Hier muss man schon ein Jahr im Voraus reservieren! Wir finden auch sonst keine Stelle zum Wildcampen, da alles in privater Hand ist, also bleibt uns nur noch ein Camping­platz. 51 CAD$ für einen Zelt­platz, parken wir das Bockerl am bisher schlimmsten, vollsten und teuersten Campingplatz! Will­kommen in On-Terrible, um mal wieder Anna zu zitieren! Hilft ja jetzt auch nix, also beschließen wir, uns ein kühles Bierchen einzupacken und zum Strand zu gehen, um den Tag ausklingen zu lassen. War aber nichts! Der Strand schließt um 22:00 Uhr und Alkohol darf man hier auch nicht trinken. Um auch das Geschwindigkeits­begrenzungs­schild einzuhalten, gehen wir langsam zurück, denn man darf hier 9 ½ km/h nicht überschreiten! 😉

Warum der Park so gehyped wird, ist uns ein Rätsel. Es ist halt ein Sandstrand. Der auch noch überfüllt ist! Wahrscheinlich sind wir Europäer, was einen simplen Sandstrand angeht, einfach verwöhnt.

Eine kleine Verschnaufpause nach 10.000 km

Wir fahren am nächsten Tag nach Belleville, auf dem Festland, um uns die Schlüssel zum Cottage zu holen. Leider haben wir um einen Tag Anna verpasst, die bis gestern noch im Cottage mit ihren Eltern war und heute ihren Flug zurück nach Nova Scotia nehmen muss. Ihre Eltern kennen uns nicht, dennoch haben sie uns nicht nur die Schlüssel zum Cottage, sondern auch zu ihrem Haus auf der Veranda hinterlegt, während sie Anna zum Flughafen bringen. Wir haben die Einladung in ihrem Haus zu schlafen, zu duschen und zu waschen, bis sie in zwei Tagen wieder zurück sind. Allerdings fühlen wir uns dabei nicht wohl bei wildfremden Menschen einfach ins Haus einzulaufen. Wir gehen daher in Belleville noch ein bisschen einkaufen und machen uns zurück ins Prince Edward County und auf zum Lake Consecon, wo das Cottage steht. Wir freuen uns schon ohne Ende auf ein paar fahrfreie Tage!

Das Cottage von Annas Eltern.
Das Cottage von Annas Eltern.

Wie sollen wir das Cottage beschreiben? Das Grundstück ist riesig und auf beiden Seiten von dichtem Gebüsch und Bäumen eingefasst, so dass niemand rein schauen kann. Das Häuschen ist zweistöckig, mit einer von Fliegengittern geschützten Veranda und einer Terrasse mit Grill. Es gibt eine Küche, ein Esszimmer und ein Wohnzimmer sowie im Obergeschoss zwei weitere Schlafzimmer. Ein Plumpsklo im Garten ist auch vorhanden. Das Gebäude ist 100 Jahre alt, was man ihm auch anmerkt. Auf der Veranda liegen Millionen von toten Insekten, aber so lange sie tot sind ist alles im grünen Bereich! In diesem Haus gibt es in jeder Ecke was zu entdecken. Von antiquierten Möbeln, über diverse Kunstwerke und Porzellanfiguren, über Schneeschuhe und Glasmosaike. Der Ort ist der Hammer! Bei Hitze genießen wir nun den ersten Tag am Privatsteg am See, heizen danach den Grill an und grillen Steaks und Muscheln. Dann regnet es. Wir sitzen im Trockenen und genießen die Abkühlung auf der Veranda und beobachten Glühwürmchen und bestaunen rosa Blitze, die das Unwetter mit sich bringt. Wir lassen es uns gut gehen und fühlen uns wunderbar hinter dem Cottage eine Dusche mit dem Gartenschlauch zu nehmen. Abends sitzen wir stundenlang zusammen und quatschen über Gott und die Welt. Tagsüber starren wir einfach in den See und beobachten Krebse und Fische, während ein Hase und ein Stinktier über die Wiese rennt. Genau DAS haben wir gebraucht!

An einem Morgen wollen wir in die Stadt fahren, um ein paar Besorgungen zu machen. Wir steigen ins Bockerl ein, als ich im Augenwinkel was Braunes auf meine Schulter zu rennen sehe. Ein Maus! Einen lauten Kreischer später, ergreift auch sie die Flucht und rennt kopflos durch den Bus. Am nächsten Tag (wir waren uns nicht sicher ob sie aus dem Bus gesprungen ist), ist unser Klopapier zerfetzt und überall liegt Mäusescheiße! Ganz toll! Wir basteln am Bus, als der Scheißer wieder vorbei rennt und Thomas schafft es tatsächlich sie raus zu jagen. Neuer Tag, neue / alte Maus. Sie ist wieder drin und hat ein T-Shirt von Thomas und eine Hose von mir angefressen. Jetzt reicht's! Wir fahren wieder in die Stadt und holen eine Lebendfalle. Nachdem wir das Bockerl schon ausgeräumt haben, damit die Maus nicht noch mehr anfressen kann, wollen wir gleich die Gelegenheit nutzen den Innenausbau zu optimieren um noch ein Schränkchen zu bauen. Neben der Mausefalle kaufen wir also noch ein bisschen Holz und los geht die "Arbeit".

Die entspannte Zeit hat nun eine "Ende"und wir sind tagsüber fast nur noch am Basteln. Schränkchen bauen, am Bockerl schrauben und das Dach nochmal abdichten. Obwohl Thomas heute Geburtstag hat, fahren wir zu einer Werkstatt und finden endlich heraus, wo das Knacken und inzwischen auch Rütteln beim Fahren herkommen. Die Spurstangengelenke sind ausgeschlagen und die Kardanwelle ist locker! Da letzteres durch Schrauben festziehen einfach behoben werden kann, brauchen wir also neue Gelenke, sowie neue Bremsklötze und –scheiben. Die Werkstatt findet natürlich keine Ersatzteile. Unser Bus ist alles andere als ein gängiges Fahrzeug in Nordamerika. Auch wenn der Tag nicht mit Erfolg gekrönt war, machen wir uns einen schönen Abend und feiern zusammen bei ein paar Bechern Rum-Cola, auch wenn die Ersatzteillage nicht unbedingt stimmungsfördernd ist. Zumindest genießen wir die Abende im geschützten Cottage, während Milliarden von Mücken an den Netzen hängen und wir von drinnen das Summen hören. Am achten Tag verlassen wir das Cottage. Wir haben zwar auch viel am Bockerl gearbeitet, hatten letztendlich insgesamt zwei verschiedene Mäuse im Bus, unsere Wäsche mit der Hand gewaschen und trotzdem war es geil!

Das Cottage bei Nacht
Das Cottage bei Nacht

Dennoch freuen uns aber nun wieder darauf wieder unterwegs zu sein. Wir besuchen nochmal Annas Eltern um den Schlüssel und unsere kleinen Dankesgeschenke abzugeben. Wir sind unendlich dankbar für die Gastfreundschaft die sie uns entgegengebracht haben. Wer lässt denn schon wildfremde Menschen eine Woche in seinem „Schrebergarten“ wohnen?!

Naturschauspiel und Casinos - passt irgendwie nicht

Wir haben im Cottage lange überlegt, ob wir zu den Niagara Fällen fahren sollen. Eigentlich wollen wir möglichst schnell in den Westen. Nachdem die Strecke ab Toronto, bis wohin wir so oder so fahren müssen, nur noch 120 km beträgt, haben wir uns letztendlich doch für die Wasserfälle entschieden. Von Belleville düsen wir also los, über den Highway 401. Der am stärksten befahrene Highway der Welt. Kurz vor Toronto nehmen die Spuren allmählich zu, bis wir bei insgesamt 12 Spuren sind! Wir fahren durch die niemals enden wollende Metropole, vorbei an Hochhäusern, Wolkenkratzern und Betonwüsten. Auch südwärts, entlang des Lake Ontario ist alles bebaut und voller Städte mit mindestens 200.000 Einwohnern. Es nimmt kein Ende und wir passieren Industriegebiete, Müllhalden und Fabriken. Wie man unschwer rauslesen kann, gefällt es uns hier nicht besonders gut. Ab Lincoln, etwa 100 km nördlich von der Stadt Niagara Falls, wird es besser. Die Landschaft besteht hauptsächlich aus Blicken auf den Lake Ontario und Weingüter. Trotzdem ist immer noch alles dicht besiedelt und wir finden keinen Platz zum Übernachten. Also fahren zu den Niagara Fällen. Wir wollen uns hier was suchen und uns dann am Abend die beleuchteten Wasserfälle anschauen.

Ein Meer von Autos kriegen wir bei der Fahrt durch Toronto zu sehen.
Ein Meer von Autos kriegen wir bei der Fahrt durch Toronto zu sehen.

Für 10 Dollar stehen wir am bisher schlimmsten Schlafplatz, direkt in der Stadt, umgeben von Kneipen und Casinos. Niagara Falls ist aufgebaut wie ein Klein-Las Vegas und vollkommen auf Tourismus ausgelegt. Überall blinkt und blitzt es in der Plastikstadt. Es ist vollkommen surreal. Das wir ausgerechnet an einem Freitag da sind, macht die Sache auch nicht besser. Die Kanadier lassen an den Wasserfällen ein Feuerwerk steigen und wir haben das Glück, dieses zu verpassen. Glück? Weil uns, als wir danach zu den Wasserfällen laufen, Menschenmassen à la Oktoberfest entgegen kommen. Nicht so geil! Dafür ist die Promenade nun inzwischen relativ leer und wir spazieren die Wasserfälle entlang, die nun in sämtlichen Farben beleuchtet werden.

In der Nacht werden die Wasserfälle mit psychedelischen Farben beschienen - Geschmackssache. Niagara Wasserfälle, Ontario, Kanada
In der Nacht werden die Wasserfälle mit psychedelischen Farben beschienen - Geschmackssache.

Die Nacht war die Hölle. Irgendein Typ der neben das Bockerl gepinkelt hat, eine Tussi mit Micky Mouse Stimme, die über den ganzen Parkplatz gebrüllt hat „Is this a kind of RV????!!!!“ und diverse andere Parkplatzbesucher. Aber keinen Nachteil ohne Vorteil: wir wachen so früh auf, das wir wieder azyklisch die Niagara Fälle bei Tag besichtigen können. Unser Fazit: Sie sind schön. Gar keine Frage. Allerdings beobachtet man ein Naturschauspiel, welches durch und durch vermarket wird. Wir persönlich finden, das macht die Schönheit der Wasserfälle kaputt. Man muss keine Hochhäuser mit Casinos bauen, um so einen Platz für Touristen zugänglich zu machen.

Ein Stückchen Heimat

Wir verlassen Niagara Falls in nördlicher Richtung und machen einen Abstecher nach Kitchener, wo das zweitgrößte Oktoberfest außerhalb der Wiesn stattfindet. Hier gibt es eine bayrische Gaststätte mit Biergarten! Das können wir uns doch nicht entgehen lassen! Hier schaut es tatsächlich aus, wie in einer bayrischen Wirtschaft. Alles ist auf deutsch, im Biergarten stehen Biergarnituren und es gibt sogar eine Weinstube. Nur das Bayernthema ist nicht ganz durchgängig. An der Wand hängen Holzwappen aus ganz Deutschland, aber wen stört das in Kanada schon. Ratet was es für uns zu essen gab? SCHNITZEL! Und es war soooo geil! Home sweet home.

Unser nächstes Ziel ist die Bruce Peninsula. Eine Halbinsel, die in den Lake Huron ragt. Wir hoffen, dass es hier ein bisschen menschenleerer wird. Doch weit gefehlt! Hier ist alles voll! Wir müssen also mal wieder auf einen Campingplatz und zahlen diesmal sogar 55 CAD$. So macht das keinen Spaß! Mal abgesehen davon, dass der Campingplatz auch noch riesig und rappelvoll ist. Am Morgen machen wir uns relativ schnell vom Acker und fahren nach Sauble Beach, dem längsten Süßwasserstrand der Welt. Ratet mal, wie voll es hier ist? Genau! Also fahren wir weiter und finden nach ein paar Kilometern endlich die erste Oase seit dem Cottage. Ein kleiner sandiger Strand am Lake Huron, umsäumt von Wald inklusive einem Fischadlerhorst. Thomas packt die Kamera aus und ich meinen Bikini. So lässt es sich aushalten!

Was wir schon einmal sagen können ist, dass es ab jetzt nur noch bergauf geht und wir bald genau das bekommen was wir uns wünschen! Wir möchten diese Ecke Ontarios gar nicht schlecht machen. Wenn man Großstädte mag, ist Toronto sicherlich toll. Auch der Lake Ontario und vor allem der Lake Huron sind super schön. Man hat hier teilweise tolle Ausblicke auf die Seeufer, die teilweise wegen der Größe der Seen eher wie Meeresküsten aussehen. Außerhalb der Saison zu reisen, hat hier bestimmt den Vorteil, dass es nicht gar so überfüllt ist und man den einen oder anderen Platz entspannter genießen kann.

Highlights

  • Thousand Islands
  • Prince Edward County
  • Niagara Fälle
  • Bruce Peninsula (außerhalb der Saison)

1 Kommentar

  1. […] sind noch immer auf der Bruce Peninsula und verlassen Sauble Beach mit seinen überfüllten Stränden à la Rimini in der Hauptsaison und […]

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