Wir haben es endlich nach Alberta, in den Westen Kanadas, geschafft. Unsere erste Station hier ist Medicine Hat. Die Stadt wurde im 19. Jahrhundert gegründet, als dort bei Bohrungen große Erdgasmengen entdeckt wurden. Der Name leitet sich von einem Wort der Blackfoot Indianer ab und bezeichnet die Schwanzfeder eines Adlers die von Medizinmänner auf dem Hut getragen wurde. Papperlapapp, jetzt aber genug des Geschichtlichen. Da es schon recht spät ist steuern wir nur noch den Walmart an und lassen den Abend mit einem Hummersandwich bei romantischer Parkplatz-Atmosphäre ausklingen. Oh ja, wir hatten noch ein Glas Hummer aus Neufundland übrig.
Die Nacht war überraschend angenehm. Vermutlich weil wir bei diesem Walmart an der Seite des Gebäudes parken konnten, statt in der Front. Keine nächtlichen LKW-Lieferungen für den Supermarkt, keine Camper mit Generator und auch das morgendlichen Erstaunen der Walmart-Kunden über unser Bockerl blieb aus. So, jetzt geht's erst mal zum Stampede, yieeeha! Ein Stampede ist eine Art Volksfest mit Rodeo. Kanadas größtes Stampede in Calgary haben wir leider verpasst, deshalb freuen wir uns umso mehr, dass wir das in Medicine Hat noch mitnehmen können. Nachdem wir uns die Tickets für das Rodeo gekauft haben, machen wir noch einen kleinen Spaziergang über das Festgelände. Ähnlich wie bei unseren Volksfesten gibt es hier Essensstände, Schießbuden und auch Karussells. Die "Tracht" ist das, was sich hier maßgeblich unterscheidet. Was bei uns die Haferlschuhe und die Lederhos'n, sind hier die Cowboystiefel, Jeans und der Cowboyhut. Ob Frau oder Mann, alle sind Stilecht im Western-Look gekleidet. Und Leute, es sieht wirklich richtig gut aus!
Endlich geht es los und wir machen uns auf zu unseren Plätzen. Von den Sitzplätzen aus sehen wir schon die Pferde, Bullen und Kälber um die Arena herum stehen. Eingeleitet wird das Rodeo zuerst mit der amerikanischen und dann mit der kanadischen Hymne und mit ein paar Kutschen, die in die Arena einfahren. Dann beginnt das Rodeo, dass sich aus sechs Disziplinen zusammensetzt.
1. Disziplin:
Der Cowboy muss sich ohne Sattel für eine gewisse Zeit auf dem Pferd halten. Er darf sich nur mit einer Hand an einem Griff festhalten. Bewertet werden Reitstil und Schwierigkeitsgrad des Pferdes.
2. Disziplin:
Der Cowboy stürzt sich vom Pferd auf das Kalb und bringt es mit bloßen Händen zum Stehen. Richtig, der hier hat es nicht geschafft. 😉
3. Disziplin:
Während des Reitens wird ein Kalb mit dem Lasso eingefangen.
4. Disziplin:
Ähnlich wie die erste Disziplin. Der Cowboy hält sich allerdings nicht an einem Griff fest, sondern an einem dicken Seil.
5. Disziplin:
Ähnlich wie das Kälberfangen aus der dritten Disziplin, allerdings wird hier ein kürzeres Lasso verwendet. Das Lasso ist zudem noch am Sattel festgebunden und bringt das Kalb, sobald es eingefangen wurde, ruckartig zum Stehen. Der Cowboy rennt anschließend zum Kalb und fesselt die Beine. Hier geht es um Geschwindigkeit.
6. Disziplin:
In der letzten Disziplin wird ein Stier statt einem Pferd geritten.
"Eigentlich" hat uns das Fest mit dem Rodeo sehr gefallen. Als wir allerdings im Nachgang die Fotos sichteten blieb uns doch etwas die Spucke weg. Die Cowboys tragen Sporen an den Stiefeln die dem aufbockenden Pferd mit voller Wucht in die Seiten getrieben werden. Auch die Hufe der Rodeopferde sehen sehr ungepflegt aus. Man hat das Gefühl diese Pferde sind nur zum Verheizen da, denn die Pferde der Helfer oder der Kunstreiter sind im Gegensatz sehr gepflegt. Für uns war das sicherlich das letzte Rodeo. Zugegebenermaßen sind wir da wohl etwas naiv rein gegangen. Rückblickend bleibt an dieser Stelle ein bitterer Nachgeschmack. Wer sich näher über Rodeos und die dort angewandten Praktiken informieren möchte, kann auf Peta mehr dazu lesen.
Nach dem Stampede düsen wir noch etwas durch Medicine Hat und entdecken ein riesiges Samis Tipi. Die ca. 65m hohe Stahlkonstruktion ist ein Tribut an die First Nations Kanadas und das Wahrzeichen der Stadt, was wir selbstverständlich nicht wussten. Dort kann man auch die weichgespülte Geschichte über die Kolonialisierung des Landes und die Assimilierung der Indianer lesen. Lief alles ganz friedfertig und im gegenseitigem Einverständnis ab. 😉
Es geht weiter Richtung Westen. Während der Fahrt, über das immer noch flache Land, sehen wir eine Antilopenherde und einen Kojoten über die Felder laufen. Leider ist es immer noch nicht so einfach einen Schlafplatz in diesem platten Land zu finden und so landen wir mal wieder an einem Walmart-Parkplatz.
Kanadische Gastfreundschaft, wie sie im Buche steht
Über einen Bekannten aus Deutschland, haben wir den Kontakt zu Christine und Don, aus der Nähe von Calgary bekommen. Den beiden wollen wir heute noch einen Besuch abstatten. Auf dem Weg nach Calgary, kaufen wir zunächst einen Bärenspray, da der Banff National Park nicht mehr so weit ist und ab nun die Bärendichte wohl zunimmt. Wir umfahren Calgary. Von Weitem sehen wir nur die Skyline und fahren durch Wohnsiedlungen, die einfach in die Prärie gepresst wurden. Einheitsbauten, alle braun in braun. Gesichtslos. Ein Haus sitzt hier auf dem anderen. Nach mehreren Telefonaten schaffen wir es endlich zu Chris & Don. Es gibt keine wirkliche Adresse, da sie mehr oder weniger, in den Pampas wohnen. Dank Google Maps kommen wir dann doch noch ans Ziel. Die beiden haben eine kleine Ranch mit sechs Pferden und wir dürfen in ihrem Garten campen. Obwohl wir uns nicht kennen, haben sie uns vollkommen herzlich aufgenommen. Begrüßt werden wir zuerst mit einem kühlen Bier, bevor sie uns mit raus ins Water Valley nehmen. Hier lassen sie ihre Rinder im Sommer grasen. Auf dem Weg dahin sehen wir endlich Elche mit Geweih! Da fahren wir fast einen Monat durch Neufundland, wo es angeblich Elche ohne Ende geben soll, und hier sehen wir an einem Abend gleich Drei. Leider aber keinen Bären. Die sehen wir nur auf Fotos, denn Chris hat ein paar Fotofallen im Water Valley installiert. Unter anderem konnte sie auch so ein paar Bilder von Pumas schießen. Auf die Frage, ob denn Pumas sehr gefährlich seien, kommt als Antwort, dass sie lieber einem Grizzly als einem Puma begegnen würden. Gut. Frage wohl beantwortet. Nach dem Ausflug, laden sie uns auch noch zum Essen ein, obwohl wir sie einladen wollten. So sind sie, die Kanadier! Es geht in einen absolut stilechten Saloon. Man könnte fast meinen, mitten im Wilden Westen zu sitzen. Bei hausgemachten Burgern und Bier lassen wir den Abend ausklingen.
Am nächsten Morgen gibt es bei Chris & Don noch einen Kaffee und wir dürfen ihre Dusche benutzen, bevor es für uns weiter in die Rocky Mountains geht. Der Abend mit den beiden war wirklich toll und ist exemplarisch für die kanadische Gastfreundschaft. Lieber Mark, auch ein riesiges Danke an Dich, dass Du uns mit so lieben Menschen zusammen gebracht hast!